Referent*innen
Prof. Dr. Christian Danz
Differenzhermeneutik. Überlegungen zum Umgang mit religiöser Alterität in der Systematischen Theologie
Wie lässt sich aus der Sicht einer Systematischen Theologie mit religiöser Alterität umgehen? Dieser Frage geht der Vortrag vor dem Hintergrund der religionstheologischen Debatten der letzten Jahrzehnte nach Signifikant für die bisherigen religionstheologischen Diskussionen ist, dass die unterschiedlichen Ansätze den diversen geschichtlichen Religionen einen sie übergreifenden Religions- oder Gottesbegriff zugrunde legen. Mit diesen Konzeptionen ist jedoch das Problem verbunden, dass die Diversität der Religionen monistisch aufgelöst wird. Demgegenüber arbeitet der Vortrag die These aus, dass der religiöse Pluralismus nur dann auf einer theoretischen Ebene angemessen berücksichtigt werden kann, wenn auf religionsübergreifende Entwürfeverzichtet wird. In einer solchen differenzhermeneutischen Konzeption rücken nicht nur die Unterschiede zwischen den geschichtlichen Religionen in den Fokus, sondern auch, dass die unterschiedlichen Religionen bereits das, was Religion ist, unterschiedlich bestimmen.
Prof.in Dr.in Dina El Omari
Interreligiöse Koranhermeneutik
Die interreligiöse Perspektive stellt in der Islamischen Theologie eine Querschnittsdisziplin dar. Dabei ergeben sich nicht nur je nach theologischer Disziplin unterschiedliche Herausforderungen, Chancen und Grenzen, sondern auch verschiedene Gedanken zu einer interreligiösen Hermeneutik. Der Vortrag wird in Bezug auf den Koran diese unterschiedlichen Gedanken vorstellen und anhand konkreter Beispiele aufzeigen, wie der Koran mit einer interreligiösen Perspektive gelesen werden kann und welche Rolle diese für sein Verständnis spielt.
Dr. Swami Medhananda
Interfaith Hermeneutics in Hinduism: From Advaitic Inclusivism to Religious Pluralism
One of the main challenges in fostering respectful and fruitful interreligious dialogue is the development of a sufficiently coherent, flexible, and broad theoretical foundation for such dialogue. Any theoretical foundation rooted in religious inclusivism is bound to be problematic, since it entails that one or more parties in the dialogue would view their own religious tradition as superior to other religions in some crucial respect. Hence, I believe it is crucial to explore the possibility of developing a theoretical foundation for interreligious dialogue that is robustly pluralistic rather than inclusivistic. To this end, this lecture focuses on the religious pluralist doctrine of the Hindu mystic Sri Ramakrishna (1836–1886) and highlights its relevance to contemporary interreligious dialogue. Some scholars have interpreted Ramakrishna's doctrine of the harmony of religions as an Advaitic inclusivism, according to which the salvificknowledge of impersonal, nondual Pure Consciousness is the common goal of all religions. Militating against this inclusivist interpretation, I contend that Ramakrishna was a full-blown religious pluralist who held that all of the majorworld religions are equally effective paths to the goal of God-realization, which he conceived broadly as the realization of some aspect or form of the impersonal-personal Infinite Divine Reality. I also discuss Ramakrishna's response to the problem of conflicting religious truth-claims, his doctrine of universal salvation, and his remarkably expansive conception of postmortem salvation, which accommodates both theistic and non-theistic ideals.
Dr. Cem Kara
Hermeneutik zwischen Eindeutigkeit und Mehrdeutigkeit. Eine ambiguitäts- und emotionstheoretische Lesart alevitischer Quellen
In als alevitisch zu verstehenden Quellen gibt es eine Bandbreite mehrdeutiger Glaubensüberzeugungen – begonnen bei der Heiligenverehrung über die Ontologie bis hin zu Jenseitsvorstellungen. Dies ist nicht nur ein intertextueller Befund, denn häufig finden sich ambige Ideen innerhalb desselben Textes. Vieles deutet darauf hin, dass die Ambiguitäten in diesen Texten intendierter Natur sind und die Autor:innen mit Absicht sie in den Texten platzierten, um verschiedene Gruppen auf unterschiedliche Weise zu erreichen. Gleichzeitig zeichnet sich mit Blick auf die Repräsentation und Kodierung von Emotionen in besagten Texten ein anderes Bild ab: Während bei der Glaubenslehre Mehrdeutigkeiten vorherrschen, sind indes die Emotionsregeln recht eindeutig und normativ festgelegt. Mit diversen rhetorischen Stilmitteln werden den Adressat:innen Regeln und Erwartungen vermittelt, in bestimmten Situationen eine korrespondierende Emotion zu zeigen. Auf diese Weise erfüllen die dargestellten Emotionen die Funktion von sogenannten Gefühlsregeln (A. Hochschild), deren Einhaltung für die Zugehörigkeit zum Kollektiv konstitutiv ist.
Der Vortrag nimmt diese Wechselbeziehung mehrdeutiger Glaubenslehre und eindeutiger Emotionologie in den Blick und diskutiert, welche heuristischen Rückschlüsse man auf Grundlage dieser Dialektik über das Alevitentum als religiöse Kultur ziehen kann. Zugleich wird in dem Vortrag erörtert, was diese Vorstellungen über das Verhältnis des Alevitentums zu anderen religiösen Vergemeinschaftungen und den interreligiösen Austausch aussagt. Als Textgrundlage werden Gedichte der klassischen alevitischen Poesie herangezogen.
Dr. Ulvi Karagedik
Religionsübergreifende Narrative in Hadithüberlieferungen als Ausgangspunkt interreligiös-hermeneutischer Überlegungen
Hadithüberlieferungen sind eine zentrale Quelle der islamischen Tradition und haben große Bedeutung für das Verständnis der Religion und ihrer Praxis. In der Hadithliteratur gibt es zahlreiche Erzählungen, deren Inhalte sich mit Quellentexten anderer Religionen überschneiden oder sich auf diese und deren Anhänger beziehen. Diese religiösen Narrative können daher als idealer Ausgangspunkt für interreligiös-hermeneutische Überlegungen dienen. Der Vortrag wird einige Themenbereiche jener religionsübergreifenden Narrative in Hadithen behandeln und am Beispiel einer konkreten Hadithüberlieferung verschiedene Bedeutungsdimensionen interreligiöser Hermeneutik aufzeigen. Insbesondere wird der Fokus auf die Frage gerichtet, wie interreligiöse Hermeneutik dazu beitragen kann, das Verständnis und den Dialog zwischen den Angehörigen verschiedener Religionen zu fördern. Dabei werden auch die methodischen Herausforderungen diskutiert, die bei der Interpretation von Quellentexten in differenten Kontexten auftreten können.
Die jüdischen Grundlagen für das interreligiöse Verständnis
Jaron Engelmayer (Israelitische Kultusgemeinde Wien)
Gibt es eine Religion für alle Menschen?
Diese bedeutende Frage liegt dem Verhältnis, dem Austausch und dem Neben- und Miteinander-Leben der Religionen zugrunde. Das Judentum geht in seiner Grundvorstellung von einem besonderen Ansatz aus. Nicht alle Menschen müssen und sollen an dasselbe glauben! Das Judentum versteht sich nicht als eine globale, sondern eine nationale Religion.
Im Vortrag soll es unter anderem darum gehen, warum dem so ist, welche Bedeutung und Auswirkungen dies hat, wie sich ein ideales Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden gestaltet, wie die Überbrückung zwischen einem allumfassenden kosmologischen G“ttesverständnis und einer auf eine Menschengruppe Religion verstanden werden kann. Auch werden wir uns der Frage zuwenden, ob es aus jüdischer Sicht eine Vorstellung religiöser Grundanforderungen für die gesamte Menschheit gibt, wie sich die Grenzen des geduldeten Verhaltens abzeichnen und definieren lassen, und wie die Vision der künftigen globalen G“tteserkenntnis zu verstehen ist.